Von wegen „Face to Face“: Warum gerade die Immobranche zum digitalen Vorreiter wird

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Song_about_summer/shutterstock.com

Die pandemiebedingten Kontakt- und Mobilitätseinschränkungen haben in der gesamten Wirtschaft enorme Veränderungen hervorgerufen, ungeplante wie ungeahnte Digitalisierungsschübe ausgelöst und das klassische Präsenzarbeitsmodell komplett infrage gestellt. Nach Meinung des Immobilienexperten und Autors Thomas Knedel lassen sich insbesondere in der Immobranche diese Weichen nicht mehr auf den „Prä-Corona“-Stand zurückstellen – mit durchaus positiven Konsequenzen.

Home-Office als Sinnbild der Digitalen Transformation

Aus der Corona-Not entwickelt sich nun wohl eine echte Tugend: Führte der flächendeckende und branchenübergreifende „Switch“ von der althergebrachten Büroarbeit zum Home-Office laut einer Studie des Instituts für Arbeits- und Berufsforschung zu Beginn der Pandemie (April/Mai 2020) noch zu großer Verunsicherung und erheblichen Produktivitätseinbußen, bestätigt eine Untersuchung der Bitkom aus dem Dezember 2020 meinen persönlichen Eindruck, dass sich die Arbeitnehmer mittlerweile gut in den eigenen vier Wänden eingerichtet haben. Gut 10 Millionen Erwerbstätige arbeiten inzwischen ausschließlich im Home-Office.

Diese kurzfristige Verlagerung der Wirkungs- und Arbeitsstätte war nur möglich, weil Unternehmen aller Größen und Branchen schnell und konsequent handelten, als klar wurde, dass sich für bestimmte Bereiche keine sinnvolle Alternative finden ließ. Natürlich beinhaltet der Themenbereich der Digitalen Transformation wesentlich mehr Aspekte – nichtsdestotrotz werden sich die Gesichter-Kacheln der omnipräsenten Online-Videokonferenzen als prägnante Bilder des Corona-Jahres 2020 in die Erinnerung einer ganzen Generation „einbrennen“. Aber warum sehe ich nun gerade die Immobilienbranche als „Speerspitze der Digitalisierung“ an?

Die Immobranche weist zahlreiche positive Digitalisierungs-Trigger auf

Einer der Hauptgründe für die hohe Virtualisierungs-Affinität des Immobiliengeschäfts resultiert direkt aus der „Natur der Sache“: Kauf, Verkauf und Vermietung von Immobilien laufen schon seit ewigen Zeiten rein virtuell ab. Nutzungs- und Eigentumsrechte an immobilen – unbeweglichen – Gütern lassen sich eben nur in Schriftform übertragen. Diesen Prozess komplett zu digitalisieren stellt eigentlich den kleinsten Teil des Gesamtpakets „Digitale Transformation“ dar. Leider hinkt die Bürokratie in Punkto „Digitale Signatur“ immer noch nach, ansonsten könnte man sich endlich auch die Präsenztermine beim Notar sparen.

Neben dem administrativen Part nahm der persönliche Kontakt zwischen Unternehmern, Maklern, Käufern, Verkäufern, Vermietern und anderen Playern einen weiteren wichtigen Part in der Immobilien-Wertschöpfungskette ein. Hier taten sich tatsächlich einige, eher traditionell ausgerichtete, Makler schwer, ein Vertrauensverhältnis rein digital aufzubauen und zu pflegen. Erfreulicherweise stehen die allermeisten Kunden dieser momentan alternativlosen Vorgehensweise ziemlich offen gegenüber. Gerade die Generation der Digital Natives greift intuitiv zu virtuellen Transaktions- und Kommunikationsangeboten und wundert sich eher, wenn diese nicht von Anfang an bereitstehen.

Aber nicht nur der Live-Austausch zwischen den Protagonisten der Immobilienbranche lässt sich hundertprozentig digital darstellen, auch für die entscheidungsrelevante Besichtigung der vakanten Räumlichkeiten können Makler bereits auf zahlreiche Lösungsanbieter zurückgreifen. Das neue Zuhause, die neue Betriebsstätte betrachten die Interessenten inzwischen ganz in Ruhe am Rechner, Tablet oder Smartphone in Form erstaunlich realistischer 3D-Scans – bzw. als individuellen Livestream des Maklers vor Ort. Auch die symbolträchtige Schlüsselübergabe findet komplett allerorts schon häufig digital statt, die immer breiter verfügbare Smart-Home-Technologie macht’s möglich.

Noch eher seltener anzutreffen sind Häuser, die komplett im 3D-Druck hergestellt werden. Flexibilität, Individualisierbarkeit, Formenvielfalt und Schnelligkeit dieser Technik, die sich zumeist spezieller Betonmischungen bedient, überzeugen auf ganzer Linie, auch wird für die Erstellung eines kompletten Rohbaus keine mehrköpfige Bau-Kolonne mehr benötigt – ein weiterer Pluspunkt angesichts der aktuellen Kontakteinschränkungen am Arbeitsplatz.

Kein Weg zurück in die analoge „Vorzeit“

Die aufgeführten Beispiele haben sich entweder schon auf breiter Front eingerichtet oder stehen bereit, die analogen Vorläufer komplett zu ersetzen. Manchen geht diese Entwicklung vielleicht zu schnell – aber die virtuellen, digitalen Alternativen sind gekommen, um dauerhaft zu bleiben. Kein Grund zur Melancholie, denn mit einer offenen und zuversichtlichen Herangehensweise eröffnen sich in der Regel zahlreiche offensichtliche und flankierende Vorteile und Mehrwerte. Die Automatisierung von Standardaufgaben erlaubt Immobilien-Unternehmen und -Maklern, qualifizierte und motivierte Mitarbeiter von ungeliebter Routine zu befreien und in der Betreuung von Premium-Kunden einzusetzen.

Wer als Makler seinen Kunden eine eigene (oder zumindest individualisierte) App zur Verfügung stellt, kann Zusatzdienste von Partnern einbinden und sich vielfältige Up- und Cross-Selling-Optionen sichern. Die Kunden profitieren von zeitnahen und erheblich vereinfachten Transaktions- und Kommunikationsprozessen. Verabschieden wir uns also endgültig von den Prä-Corona-Verhältnissen in der Immobilienbranche und schauen wir zuversichtlich in die Zukunft!


Über den Autor:

Thomas Knedel ist Immobilienunternehmer und blickt auf mehr als 20 Jahre Erfahrung im Immobiliengeschäft zurück. Seit 2007 ist er Inhaber der Triamis Gruppe, einem Investment-Unternehmen. Sein Wissen gibt er in Büchern, Podcasts und Online-Kursen an zukünftige und bereits aktive Immobilieninvestoren weiter.

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